Anerkenntnis
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Unwirksamkeit eines rückwirkend befristeten Anerkenntnisses, Umdeutung in uno-actu-Entscheidung
BGH, Urt. v. 31.8.2022 - IV ZR 223/21
1. In der Berufsunfähigkeitsversicherung kann der Versicherer ein befristetes Anerkenntnis nicht rückwirkend für einen abgeschlossenen Zeitraum abgeben. Zeitlich befristete Anerkenntnisse können nur mit Wirkung für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit ausgesprochen werden.
2. Offen bleibt, ob im Einzelfall etwas anderes gelten kann, wenn der Versicherungsnehmer erst nach Ende der Berufsunfähigkeit Versicherungsleistungen beantragt und so gegebenenfalls die Leistungspflicht des Versicherers durch sein eigenes Verhalten verlängern könnte, wenn man diesen an der Notwendigkeit einer Änderungsmitteilung festhielte.
3. Der Versicherer ist auch ohne Abgabe eines Leistungsanerkenntnisses immer an die eine Leistungseinstellung regelnden Versicherungsbedingungen (Nachprüfungsverfahren) gebunden. Das gilt auch dann, wenn die Berufsunfähigkeit zwischenzeitlich weggefallen ist und kann nicht durch ein rückwirkend befristetes Anerkenntnis umgangen werden.
4. Die Umdeutung eines unwirksamen befristeten Anerkenntnisses für einen vergangenen Zeitraum in ein unbefristetes Anerkenntnis mit gleichzeitiger Nachprüfungsentscheidung ist gemäß § 140 BGB möglich.
Kein Recht des Berufsunfähigkeitsversicherers zur Abgabe eines rückwirkend befristeten Anerkenntnisses, Umdeutung in uno actu
BGH, Urt. v. 23.2.2022 - IV ZR 101/20, jurisPR-VersR 2022, Anm. 1 Neuhaus = VersR 2022, 500 = MDR 2022, 567 = BeckRS 2022, 4042
1. Die in AVB vorgesehene Möglichkeit, ein Anerkenntnis für bis zu zwölf Monate zu befristen, gefährdet den Vertragszweck nicht i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil der Versicherer sein Leistungsversprechen nicht in gewichtigem Umfang zurücknimmt.
2. In der Berufsunfähigkeitsversicherung kann der Versicherer ein befristetes Anerkenntnis nicht rückwirkend für einen abgeschlossenen Zeitraum abgeben.* Zeitlich befristete Anerkenntnisse können nur mit Wirkung für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit ausgesprochen werden. Dies folgt aus dem durch Auslegung ermittelten Zweck von § 173 Abs. 2 S. 1 VVG (vorläufige Regelung unsicherer Sachverhalte nur mit Wirkung für die Zukunft).
3. Offen bleibt, ob im Einzelfall etwas anderes gelten kann, wenn der Versicherungsnehmer erst nach Ende der Berufsunfähigkeit Versicherungsleistungen beantragt und so gegebenenfalls die Leistungspflicht des Versicherers durch sein eigenes Verhalten verlängern könnte, wenn man diesen an der Notwendigkeit einer Änderungsmitteilung festhielte.
4. Der Versicherer ist auch ohne Abgabe eines Leistungsanerkenntnisses immer an die eine Leistungseinstellung regelnden Versicherungsbedingungen (Nachprüfungsverfahren) gebunden. Das gilt auch dann, wenn die Berufsunfähigkeit zwischenzeitlich weggefallen ist und kann nicht durch ein rückwirkend befristetes Anerkenntnis umgangen werden. Der Versicherungsnehmer bedarf auch in derartigen Fällen des Schutzes durch das Nachprüfungsverfahren und die dort erforderliche nachvollziehbare Begründung des Versicherers für den Entfall seiner Leistungspflicht (entgegen Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl., Kap. 12 Rn. 43, 45.)
5. Zur Erfüllung der Mindestvoraussetzungen einer nachvollziehbar begründeten Einstellungsmitteilung wegen einer Gesundheitsverbesserung kann es genügen, dass der Versicherer dem Versicherten unverkürzt ein Gutachten zugänglich macht, aus dem er seine Leistungsfreiheit herleiten will, und - soweit noch erforderlich - in seiner Mitteilung ergänzend aufzeigt, dass die Gegenüberstellung der Ergebnisse des Gutachtens mit den Feststellungen und Bewertungen, die der Versicherer seinem Leistungsanerkenntnis zugrunde gelegt hat, eine Besserung ergeben hat.
6. Die Umdeutung eines unwirksamen befristeten Anerkenntnisses für einen vergangenen Zeitraum in ein unbefristetes Anerkenntnis mit gleichzeitiger Nachprüfungsentscheidung ist gemäß § 140 BGB möglich.
Erfordernis einer Änderungsmitteilung bei fehlendem Anerkenntnis, gebotenes Anerkenntnis
BGH, Urt. v. 18.12.2019 - IV ZR 65/19, r+s 2020, 222 = VersR 2020, 276 = BeckRS 2019, 35520 = MDR 2020, 292
- Ein Versicherer kann auch dann, wenn er kein Anerkenntnis seiner Leistungspflicht abgegeben hat, den späteren Wegfall einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit nur durch eine den inhaltlichen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügenden Änderungsmitteilung geltend machen (Festhaltung BGH, 13. März 2019, IV ZR 124/18, NJW 2019, 2385)
- Eine Änderungsmitteilung ist auch dann erforderlich, wenn die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen ein befristetes Anerkenntnis erlauben.
- Bei einer Nachprüfung auf Basis eines gebotenen Anerkenntnis ist im Rahmen der Änderungsmitteilung der Gesundheitszustand der versicherten Person, der dem gebotenen Anerkenntnis hätte zugrunde gelegt werden müssen, dem späteren Gesundheitszustand gegenüberzustellen.
- Das Erfordernis einer Änderungsmitteilung setzt nicht voraus, dass die Ablehnung des Anerkenntnisses durch den Versicherer schuldhaft oder treuwidrig erfolgte. Es kommt allein darauf an, ob ein Anerkenntnis objektiv geboten war, weil bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit bereits vorlag.
- Erklärt der Versicherer die Leistungseinstellung hilfsweise, bindet er sich damit nicht an eine bestimmte Bewertung des Gesundheitszustands in einem gerichtlichen Gutachten oder zuvor bestrittenen Befunden.
- Ein Anerkenntnis ist nicht geboten, wenn der Versicherer wegen eines Verhaltens des Versicherungsnehmers oder Versicherten nach dem Versicherungsfall, insbesondere einer Obliegenheitsverletzung, leistungsfrei bleibt (hier verneint).
Formelle Wirksamkeit eines befristeten Anerkenntnisses
BGH, Urt. v. 9.10.2019 - IV ZR 235/18, VersR 2020, 25 = r+s 2019, 715 = NJW 2020, 840 (ausführlich dazu Neuhaus, VersR 2020, 129)
- Ein befristetes Anerkenntnis in der Berufsunfähigkeitsversicherung setzt sowohl das Vorliegen eines sachlichen Grundes als auch eine Begründung der Befristung durch den Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer voraus.
- Der Berufsunfähigkeitsversicherer hat dafür Sorge zu tragen hat, dass der Versicherungsnehmer seine Rechte aus dem Versicherungsverhältnis sachgerecht wahrnehmen kann; dies setzt die Nachvollziehbarkeit der Versichererentscheidung voraus. Die Begründung der Befristung soll dem Versicherungsnehmer ermöglichen, sein Prozessrisiko einzuschätzen.
- Dies ist nur gewährleistet, wenn der Versicherer die Befristungsgründe zusammen mit der Erklärung des befristeten Anerkenntnisses miteilt.
- Werden diese Voraussetzungen nicht eingehalten, ist die Befristung unwirksam und das Anerkenntnis als unbefristetes zu behandeln, so dass sich der Versicherer nur durch ein erfolgreiches Nachprüfungsverfahren von der Leistungspflicht lösen kann.
Rückwirkend befristetes Anerkenntnis bei zwischenzeitlichem Wegfall der BU? – Nein!
BGH, Beschl. v. 13.3.2019 - IV ZR 124/18, r+s 2019, 395 = NJW 2019, 2385 = BeckRS 2019, 8595Erlauben die
Versicherungsbedingungen ein befristetes Anerkenntnis, beschränkt sich der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Abgabe des gebotenen Anerkenntnisses nicht rückwirkend auf den tatsächlichen Zeitraum einer inzwischen beendeten Berufsunfähigkeit, weil der Versicherer aus der maßgeblichen Perspektive ex ante darüber zu entscheiden hat, ob und für welchen Zeitraum er ein befristetes Anerkenntnis abgibt.
Zeitlich befristetes Anerkenntnis unter Zurückstellung der Verweisbarkeit
BGH, Beschl. v. 17.9.2008 – IV ZR 125/05
Gegen ein zeitlich befristetes Anerkenntnis unter Zurückstellung der Verweisbarkeit auch unter Berücksichtigung neu erworbener beruflicher Fähigkeiten bestehen daher keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken.
Siehe auch BGH, Urt. v. 7.2.2007 - IV ZR 244/03, VersR 2007, 633
Wirkung befristeten Anerkenntnisses für weitere Leistungspflicht
BGH, Entscheidung vom 19.11.1997 - IV ZR 6/97, NJW 1998, 760 = VersR 1998, 173
Ist der Versicherer im Zeitpunkt der Abgabe eines aufgrund zunächst nachgewiesener Berufsunfähigkeit gebotenen Anerkenntnisses der Ansicht, bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit sei bereits wieder entfallen, so kann er eine wirksame Ablehnung von Leistungen nur unter Beachtung der in seinen Bedingungen vorgesehenen Nachprüfungsregelung erklären (Fortführung von BGHZ 121, 284 = VersR 1993, 562).
Selbstbindung des Versicherers nach Leistungsanerkenntnis
BGH, Entscheidung vom 17.2.1993 (IV ZR 206/91), r+s 1994, 72 = VersR 1993, 562
Für die Selbstbindung des Versicherers nach einem Leistungsanerkenntnis gem. § 5 BB-BUZ macht es keinen Unterschied, ob er mit seinem Anerkenntnis die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit gem. § 2 Nr. 1 BB-BUZ oder § 2 Nr. 3 BB-BUZ bejaht.
Umfang des Anerkenntnisses
BGH, Entscheidung vom 17.2.1993 (IV ZR 206/91), r+s 1994, 72 = VersR 1993, 562
Die Entscheidung des Versicherers über die Anerkennung der Berufsunfähigkeit gemäß § 2 (3) BUZ enthält stets auch seine Entscheidung über den Grad der Berufsunfähigkeit und die fehlende Verweisungsmöglichkeit. Schweigt der Versicherer zu diesen beiden Punkten, so ist sein Anerkenntnis so zu verstehen, daß er Berufsunfähigkeit bejaht und eine Verweisungsmöglichkeit verneint.
Befristung ersetzt nicht Nachprüfungsverfahren
BGH, Urt. v. 16.12.1987 - IV a ZR 156/86, VersR 1988, 281 = NJW 1988, 1328
Künftigen Gesundheitsänderungen, mögen sie vom Versicherer erwartet werden oder nicht, kann nach einem Anerkenntnis von Berufsunfähigkeit gem. § 2 Nr. 1 bis 3 BB-BUZ nur auf dem vertraglich vorgesehenen Weg des Nachprüfungsverfahrens gem. §§ 7 und 6 BB-BUZ Rechnung getragen werden. Ein bedingungswidrig befristetes Leistungsanerkenntnis kann nicht die in § 7 Abs. 2 S. 2 BB-BUZ vorgesehene Mitteilung der Herabsetzung oder des Wegfalls der bisherigen Leistungen darstellen.
Anerkenntnis bei vorläufiger Berufsunfähigkeit
BGH, Urt. v. 17.9.1986 - IVa ZR 252/84, r+s 1987, 55 = VersR 1986, 1113
Hat der Versicherer in seinen Versicherungsbedingungen für Berufsunfähigkeit auch für den Fall anerkannter "vorläufiger" Berufsunfähigkeit des Versicherten Selbstbindung erklärt, so kann er sich nicht einseitig - auch nicht durch eine nur auf Zeitabschnitte begrenzte Anerkennung - von dieser Selbstbindung wieder befreien, wenn sich weder der Gesundheitszustand des Versicherten noch der bei Abgabe des Leistungsanerkenntnisses vorhandene Kenntnisstand des Versicherers verändert hat.
Verweisung nach Anerkenntnis
BGH, Urt. v. 17.9.1986 - IVa ZR 252/84, r+s 1987, 55 = VersR 1986, 1113
Kam nach dem Kenntnisstand des Versicherers überhaupt nur die Anerkennung einer vorläufigen Berufsunfähigkeit des Versicherten in Betracht, so hindert deren Anerkennung den Versicherer nicht, in dem Zeitpunkt, in dem er erstmals davon erfährt, daß nunmehr nur noch dauernde Berufsunfähigkeit des Versicherten in Betracht kommen kann, diesen auf die Möglichkeit zu verweisen, einen den Versicherungsbedingungen entsprechenden Vergleichsberuf auszuüben.
Zur Bindung an eine bedingungslos erklärte Eintrittsverpflichtung
BGH, Urt. v. 21.5.1986 - IV a ZR 220/84, r+s 1986, 217
Erklärt ein Versicherer ohne jede Einschränkung, daß er nach erfolgter Prüfung die Rente auszahle, so ist er an diese Erklärung auch dann gebunden, wenn in einem später eingeholten Gutachten eine Berufsunfähigkeit verneint wird.
Bedingungen ohne befristetes Anerkenntnis
BGH, Entscheidung vom 15.1.1986 - IV a ZR 137/84, Koblenz, r+s 1986, 136 = VersR 1986, 277
Sehen die allgemeinen Bedingungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung eine auf bestimmte Zeitabschnitte begrenzte Anerkennung dauernder Berufsunfähigkeit nicht vor und hat der Versicherer auf Zeit eine dauernde Berufsunfähigkeit anerkannt, so ist er an seine Entscheidung auch nach Ablauf des genannten Zeitraumes gebunden, wenn sich der Gesundheitszustand des Versicherten nicht zwischenzeitlich verbessert hat bzw. nachträglich keine für die Gesundheitsbeurteilung maßgebenden Umstände bekannt geworden sind.
Ls. der VersR:
Sehen die Allgemeinen Bedingungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung eine auf bestimmte Zeitabschnitte begrenzte Anerkennung dauernder Berufsunfähigkeit nicht vor, so kann der Versicherer sich nach Abschluss eines Versicherungsvertrags nicht durch einseitige Erklärung von der in seinen Versicherungsbedingungen festgelegten Selbstbindung derart befreien, daß er auch bei unverändertem Gesundheitszustand des Versicherten und ohne erst nachträgliches Bekanntwerden von Umständen, die für die Beurteilung dieses Gesundheitszustands maßgeblich sind, die auf Zeit anerkannte dauernde Berufsunfähigkeit nach Ablauf des genannten Zeitraums verneinen könnte *