Auge und Ohr, Beteiligung des Versicherungsvertreters und Versicherungsmaklers
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- Daten der Entscheidung (Gericht, Datum, Aktenzeichen, ggf. Fundstellen)
- Kernaussagen der Entscheidung
Aufklärungspflichten des Gerichts bei Falschangaben des Vertreters zu Gesundheitsfragen
BGH, Beschl. v. 5.7.2017 - IV ZR 508/14, r+s 2017, 419 = NJW-RR 2017, 1062 = BeckRS 2017, 117400
- Wenn der Versicherungsnehmer substantiiert behauptet, den Agenten des Versicherers im Antragsgespräch zum Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung mündlich über Vorerkrankungen, ärztliche Untersuchungen oder Behandlungen unterrichtet zu haben, kann der Vorwurf der arglistigen Täuschung aufgrund objektiv unrichtig beantworteter Gesundheitsfragen im Antragsformular nicht aufrechterhalten werden, wenn sich ein Fehlverhalten des Agenten nicht ausschließen lässt. Das Gericht hat sich insoweit vor allem mit der Zeugenaussage des Agenten, er würde nichts mehr versichern, wenn er Angaben wie die des Klägers in jedem Fall in die Anträge aufnähme, zu befassen.
- Verschweigt der Versicherungsvertreter ihm vom Antragsteller mitgeteilte Gefahrumstände, die er selbst für risikorelevant hält, so ist das Verschweigen weiterer Vorerkrankungen nicht ohne Weiteres als arglistig zu betrachten.
- Das Gericht muss in einem derartigen Fall aufklären und erörtern, ob der Versicherungsvertreter die Risikorelevanz der vom Antragssteller erteilten Informationen erkannte und ihre Weitergabe an den Versicherer nur im eigenen Interesse an einem Vertragsschluss unterließ (dann Zurechnung zu Lasten des Versicherers) oder ob dies infolge eines Irrtums über die Intensität der Rückenbeschwerden erfolgte. Werden vom Antragssteller erwähnte Arztbesuche im Antragsformular gesondert abgefragt, spricht deren völlige Leugnung gegen einen Irrtum des Versicherungsvertreters.
Zum Sachverhalt:
Der VN hatte behauptet, dem mit ihm bekannten Versicherungsvertreter auf entsprechende Fragen erklärt zu haben, er sei wegen Rückenschmerzen in Behandlung gewesen, allerdings sei bei den Untersuchungen nichts herausgekommen, die Ärzte hätten ihn wie einen Simulanten behandelt. Die Entscheidung, ob die Gesundheitsfragen in den Anträgen mit „ja“ oder „nein“ beantwortet worden seien, habe der Versicherungsvertreter getroffen. Der als Zeuge vom Gericht vernommene Versicherungsvertreter hatte dazu ausgesagt, ihm sei bekannt gewesen, dass der VN wegen Rückenschmerzen ärztlich untersucht worden sei. Er habe dies nicht in die Anträge aufgenommen, weil er nichts mehr versichern würde, wenn er das in jedem Fall machte.
Arglistbewertung bei einer Erklärung vor dem Arzt
BGH, Beschl. v. 10.5.2017 - IV ZR 30/16, r+s 2017, 408 = zfs 2017, 447 = VersR 2017, 937 (BUZ)
- Hat der Antragssteller bei Beantragung einer Berufsunfähigkeitsversicherung die Frage nach nach Krankheiten, Gesundheitsstörungen oder Beschwerden teilweise mit "ja" beantwortet, bei den insoweit abgefragten ergänzenden Angaben zu mit "ja" beantworteten Fragen aber nur Routineuntersuchungen beim Hausarzt und Zahnarzt und nicht mitgeteilt, dass er ca. drei Jahre zuvor nach einem Sporttraining eine Ohnmacht erlitten hatte, ein eingeholtes EEG einen unklaren Befund ergeben hatte und deshalb eine Überweisung an eine radiologische Praxis erfolgt war, wo drei ergebnislose MRT-Untersuchungen des Schädels stattfanden, und gibt der Antragssteller dann bei einer wegen der Versicherungssumme erforderlichen Untersuchung in der „Erklärung vor dem Arzt "2004 - 1x Synkope … kard. Abklärung: o.B. neurol. Abklärung: o.B." an, muss das Gericht für die Beurteilung einer Arglist die Motive des Antragsstellers aufklären. Denn es ist möglich, dass der Antragssteller davon ausgegangen ist, schon die Mitteilung über die Synkope im Jahre 2004 und eine nachfolgende "neurologische Abklärung" ohne Befund ermögliche dem Versicherer genauso eine Risikobewertung wie die ausdrückliche Bezeichnung der durchgeführten MRT-Untersuchungen.
- Kommt es auf Betreiben des Versicherers im Zuge der Verhandlungen über den Abschluss einer Lebens- und Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Aufnahme einer "Erklärung vor dem Arzt" steht der Arzt einem Versicherungsagenten bei Aufnahme des Versicherungsantrags gleich. Was dem Arzt zur Beantwortung der vom Versicherer vorformulierten Fragen gesagt ist, ist dem Versicherer gesagt.
Ls. r+s:
Eine objektive Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen liegt vor, wenn der VN lediglich eine einmalige „neurologische Abklärung ohne Befund“ angibt, wenn es tatsächlich zu mehrfachen und aufwändigeren Untersuchungen gekommen ist (hier: wiederholte MRT-Untersuchungen des Schädels innerhalb eines Zeitraums von 20 Monaten). Der VN handelt dabei aber nicht arglistig, wenn er geglaubt hat, es sei für die Annahmeentscheidung des Versicherers nicht von Bedeutung, ob er ihn konkret über die durchgeführten Untersuchungen oder nur allgemein über eine „neurologische Abklärung“ unterrichtet.
Zurechnung von Maklerarglist und Belehrung
BGH, Urt. v. 12.3.2014 – IV ZR 206/13 (PKV)
Eine an den Versicherungsmakler gerichtete Anfrage wegen unklar beantworteter Gesundheitsfragen führt nicht dazu, dass dieser nun als Vertreter des Versicherers in dessen Interessenkreis tätig wird.
Dem Versicherer zuzurechnende fehlerhafte Beratung des VersMaklers
BGH, Hinweisbeschl. v. 26.9.2012 - IV ZR 71/11, r+s 2013, 117
Auch wenn ein VersMakler grundsätzlich die Interessen des VN und nicht diejenigen des Versicherers wahrnimmt, muss sich ein Versicherer das Verhalten und die Erklärungen rechtlich selbstständiger Vermittler und von diesen eingesetzter Untervermittler zurechnen lassen, soweit eine Lebensvers. ausschließlich über diese Vermittler vertrieben wird.
Gleiches gilt, wenn Makler und Versicherer dem Anlageinteressenten und künftigen VN schon im Antragsformular zusammen mit einem gemeinsamen Produkt gegenübertreten.
„Auge und Ohr“ beim „beschwichtigenden“ Versicherungsvertreter
BGH, Urt. v. 30.11.2011 – IV ZR 143/10 Rn. 36, 37 zur BUZ
Unterläuft der Versicherungsvertreter die zutreffende Beantwortung der vom Versicherer gestellten Formularfragen dadurch, dass er durch einschränkende Bemerkungen verdeckt, was auf die jeweilige Frage anzugeben und in das Formular aufzunehmen ist, können sich nicht vollständige Angaben nicht zum Nachteil des Antragsstellers auswirken.
Anforderungen an die Substantiierungslast des Versicherungsnehmers über zutreffende mündliche vorvertragliche Anzeige gegenüber dem Versicherungsvertreter
BGH, Beschl. v. 09.03.2011 – IV ZR 130/09, r+s 2011, 258 = VersR 2011, 737
Das Erfordernis einer substantiierten Behauptung, den Agenten zutreffend mündlich unterrichtet zu haben, bedeutet nicht, dass der Versicherungsnehmer darlegen muss, dem Agenten eine medizinisch exakte Schilderung von Krankheitsbild, Diagnose und Behandlung gegeben zu haben. Vielmehr ist der prozessuale Vortrag auch dann hinreichend substantiiert, wenn der Versicherungsnehmer nicht nur pauschal behauptet, den Versicherungsagenten richtig informiert zu haben, sondern wenn er laienhaft schildert, welche Beschwerden und Krankheitsbilder er dem Agenten genannt habe.
Auge und Ohr, Beweislast
BGH, VU v. 24.11.2010 – IV ZR 252/08, r+s 2011, 58/77 = VersR 2011, 337
Hat der Versicherungsagent das Antragsformular mit Fragen nach den Gefahrumständen eigenmächtig ohne Rückfragen an den Versicherungsnehmer ausgefüllt, so sind diesem die Formularfragen nicht zur Kenntnis gelangt. Der Versicherer muss beweisen, dass der Agent dem Versicherungsnehmer die Antragsfragen zu eigenverantwortlicher (mündlicher) Beantwortung vorgelesen hat (Fortführung BGH, 13. März 1991, IV ZR 218/90, VersR 1991, 575) (Rn.25) (Rn.26).
Die Beweislast für Falschangaben liegt auch dann beim Versicherer, wenn der Versicherungsnehmer vorträgt, der Versicherungsagent habe die Fragen nach Gefahrumständen eigenmächtig beantwortet. Dann muss der Versicherer - im Regelfall durch Aussage seines Agenten - beweisen, dass der Agent dem Versicherungsnehmer die Antragsfragen zu eigenverantwortlicher (mündlicher) Beantwortung vorgelesen hat.
Zurechnung von Arztwissen
BGH, Urt. v. 11.2.2009 – IV ZR 26/06, r+s 2009, 361/384 = VersR 2009, 529
Dem Versicherer ist das Wissen des mit der Erstellung eines ärztlichen Zeugnisses beauftragten Arztes nur insoweit zuzurechnen, als dieser es durch den Antragsteller im Rahmen der "Erklärung vor dem Arzt" erlangt hat (Fortführung des Senatsurteils vom 7. März 2001, IV ZR 254/00, VersR 2001, 620). Eine weitergehende Zurechnung von Wissen, das sich für den Arzt aus früheren Untersuchungen oder Behandlungen ergeben hat, kommt nicht in Betracht.
Kollusives Zusammenwirken zwischen Versicherungsagent und Versicherungsnehmer beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung
BGH, Urt. v. 27.02.2008 - IV ZR 270/06, r+s 2008, 284 = jurisPR-VersR 5/2008, Anm. 1 Neuhaus = VersR 2008, 765
- Ein arglistiges Zusammenwirken zwischen einem Antragsteller und dem vom Versicherer beauftragten Versicherungsvertreter mit der Folge fehlender Kenntniszurechnung wegen evidenten Vollmachtsmissbrauchs ist als Ausnahmefall von der nach der Auge-und-Ohr-Rechtsprechung im Regelfall bestehenden Wissenszurechnung anzusehen.
- Hat der Versicherungsvertreter Angaben zu Vorerkrankungen des Antragstellers nicht in den Antrag aufgenommen, so muss das Gericht im Urteil näher erläutern, warum der Antragsteller in dem Bewusstsein gehandelt haben soll, auf das Vorstellungsbild des Versicherers unlauter einzuwirken. Die bloße Angabe im Urteil, es sei für den Antragsteller evident gewesen, dass eine angegebene Vorerkrankung trotz gegenteiliger Bekundung des ihn beratenden Versicherungsvertreters für den Abschluss des Vertrages bedeutungslos sei, genügt dafür grundsätzlich nicht.
- Gegen eine Arglist des Antragstellers spricht es, wenn er bereits Berufsunfähigkeitsschutz besitzt und die Initiative zum neuen Vertragsschluss vom Versicherungsvertreter ausging.
VN trägt Beweislast für eine den schriftlichen Antrag ergänzende mündliche Erklärung auf erweiterten Versicherungsschutz
BGH, Urt. v. 3.7.2002 - IV ZR 145/01, r+s 2003, 53 = NVersZ 2002, 452
Die Beweislast für eine den schriftlichen Antrag ergänzende mündliche Willenserklärung auf Erweiterung des Versicherungsschutzes trägt der VN auch dann, wenn der Agent des Versicherers den Antrag ausgefüllt hat.
Anforderungen an Kollusionsnachweis Antragsteller/Versicherungsagent
BGH, Urt. v. 30.1.2002 - IV ZR 23/01 (Düsseldorf), NversZ 2002, 254 = r+s 2002, 140 = NJW 2002, 1497
1. Bei einem evidenten Vollmachtsmissbrauch durch den Agenten ist der Versicherer im Verhältnis zum Antragsteller vor den Folgen des Missbrauchs geschützt. An die für § 242 BGB geforderte Evidenz des Vollmachtsmissbrauchs ist ein strenger Maßstab anzulegen, der der besonderen Stellung des VersAgenten Rechnung trägt, der dem Antragsteller zur Auskunft und Beratung verpflichtet ist, soweit sie dieser benötigt.
2. Kollusion mit der Folge, dass die Kenntnis des Agenten dem Versicherer nicht zugerechnet wird, liegt vor, wenn Agent und Antragsteller arglistig zum Nachteil des Versicherers zusammenwirken. Dies ist gegeben, wenn der Antragsteller gewollt oder auch nur gebilligt hat, dass der VersAgent die ihm offenbarten (hier) Vorerkrankungen im Antragsformular unerwähnt ließ.
Aus den Gründen:
Kollusion liegt vor, wenn Agent und Versicherungsnehmer arglistig zum Nachteil des Versicherers zusammenwirken, was voraussetzt, dass der Versicherungsnehmer von dem treuwidrigen Verhalten des Versicherungsagenten gegenüber dem von ihm vertretenen Versicherer weiß (vgl. BGH, NJW 1989, 26 unter II = LM § 138 [Aa] BGB Nr. 36; Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, § 43 Rdnr. 27). … Ein Missbrauch der Vertretungsmacht kann - als besondere Ausgestaltung des § 242 BGB - allerdings ebenso gegeben sein, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch macht, so dass beim Vertragspartner begründete Zweifel entstehen müssen, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliegt. Der Vertretene ist auch dann im Verhältnis zu seinem Vertragspartner vor den Folgen des Vollmachtsmissbrauchs geschützt (BGH, NJW 1994, 2082 unter II 2a = LM H. 9/1994 § 164 BGB Nr. 75; NJW 1999, 2883 unter I 2a = LM H. 3/2000 § 164 BGB Nr. 86 = WM 1999, 1617, jew. m.w. Nachw.).
Der Versicherer ist auf Grund des Vertrauensverhältnisses während der Vertragsverhandlungen dem Ast. gegenüber zur Auskunft und Beratung verpflichtet, soweit sie dieser benötigt. Er erfüllt diese Pflicht durch Auskünfte seines Agenten; der künftige VN darf davon ausgehen, dass der Agent zur Erteilung solcher Auskünfte regelmäßig auch befugt ist. Diese Umstände bestimmen zugleich die Erwartungen des künftigen Versicherungsnehmers an den ihm bei Antragstellung gegenübertretenden Agenten. Gibt der Agent dem Ast. unzutreffende Auskünfte und falsche Ratschläge im Zusammenhang mit der Beantwortung von Formularfragen im Antrag, greift demgemäß der Vorwurf, der Ast. habe insoweit seine Anzeigeobliegenheit verletzt, nicht durch (vgl. BGHZ 116, 387 [391] = NJW 1992, 828 = LM H. 6/1992 § 47 VVG Nr. 1). Nichts anderes gilt, wenn der Agent die zutreffende Beantwortung der vom Versicherer gestellten Formularfragen dadurch unterläuft, dass er durch einschränkende Bemerkungen verdeckt, was auf die jeweilige Frage anzugeben und in das Formular aufzunehmen ist (Senat, NJW-RR 2002, 89 unter II 1d = NVersZ 2002, 60 = VersR 2001, 1541). Den Agenten hinsichtlich seiner Auskünfte, was von den offenbarten Umständen in das Formular aufzunehmen ist, zu kontrollieren, ist nicht Sache des künftigen Versicherungsnehmers. Das wirkt sich auf die Beurteilung der Frage aus, ob für den VN ein Vollmachtsmissbrauch seitens des Versicherungsagenten offensichtlich werden muss: An die für § 242 BGB geforderte Evidenz des Vollmachtsmissbrauchs ist ein strenger Maßstab anzulegen, der der besonderen Stellung des Versicherungsagenten Rechnung trägt.
Einschränkende Bemerkungen des Agenten zu vorformulierten Antragsfragen
BGH, Urt. v. 10.10.2001 - IV ZR 6/01, r+s 2002, 98 u. 528 = NVersZ 2002, 60 = NJW-RR 2002, 89
*Bei der Beantwortung von vorformulierten Antragsfragen geht es nicht zu Lasten des künftigen VersNehmers, wenn der Agent durch einschränkende Bemerkungen zu den Fragen verdeckt, was auf die jeweilige Frage anzugeben und in das Formular aufzunehmen ist.*
Aus den Gründen:
Die Beweislast dafür, daß er etwas anderes gesagt hat, als er behauptet, trifft die Beklagte. Nach der Auge-und-Ohr-Rechtsprechung läßt sich, wenn der Agent das Formular ausgefüllt hat, allein mit dem Formular nicht beweisen, daß der Versicherungsnehmer falsche Angaben gemacht hat, sofern dieser substantiiert behauptet, den Agenten mündlich zutreffend unterrichtet zu haben. Dann muß vielmehr der Versicherer beweisen, daß der Versicherungsnehmer den Agenten mündlich nicht zutreffend unterrichtet hat. Dieser Beweis ist regelmäßig nur durch die Aussage des Versicherungsagenten zu führen (BGHZ 107, 322, 325).
Einschränkende Bemerkungen des Agenten zu vorformulierten Antragsfragen
BGH, Urt. v. 10.10.2001 - IV ZR 6/01, r+s 2002, 98 u. 528 = NVersZ 2002, 60 = NJW-RR 2002, 89
*Bei der Beantwortung von vorformulierten Antragsfragen geht es nicht zu Lasten des künftigen VersNehmers, wenn der Agent durch einschränkende Bemerkungen zu den Fragen verdeckt, was auf die jeweilige Frage anzugeben und in das Formular aufzunehmen ist.*
Zurechnung der Kenntnis eines Agenten aus der Entgegennahme des Antrags setzt Stellvertretung für den Versicherer voraus
BGH, Urt. v. 19.9.2001 (IV ZR 235/00), r+s 2002, 97 = VersR 2001, 1498
Die Zurechnung der Kenntnis des Agenten setzt voraus, dass dieser bei der Entgegennahme des Antrags in Ausübung der Stellvertretung für den Versicherer tätig geworden ist. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Agent dem Versicherer bei Antragstellung als rechtsgeschäftlicher Vertreter des Versicherungsinteressenten gegenübertritt.
Vorvertragliche Anzeigepflicht - keine dem Versicherer zuzurechnende Kenntnis des von ihm mit der Erstellung eines Gesundheitszeugnisses beauftragten Arztes, wenn Antragsteller diesen arglistig täuscht
BGH, Urt. v. 7.3.2001 - IV ZR 254/00, r+s 2001, 261 = NVersZ 2001, 306 = ZfS 2001, 373 = NJW-RR 2001, 889 = MDR 2001, 809
*Dem Versicherer ist das Wissen des mit der Erstellung des ärztlichen Zeugnisses beauftragten Arztes, das dieser nicht durch den Antragsteller im Rahmen der „Erklärung vor dem Arzt“, sondern aus früheren Behandlungen erlangt hat, jedenfalls dann nicht zuzurechnen, wenn der Antragsteller bei Beantwortung von Gesundheitsfragen arglistig getäuscht hat.*
Untervermittler als Hilfsperson einer Vertragspartei - hier: Bausparkasse
BGH, Urt. v. 14.11.2000 - XI ZR 336/99, r+s 2001, 220
*Übernimmt ein Vermittler, gleichgültig ob selbstständig oder nicht, mit Wissen und Wollen einer der späteren Vertragsparteien Aufgaben, die typischerweise ihr obliegen, so wird er in ihrem Pflichtenkreis tätig und ist zugleich als ihre Hilfsperson zu betrachten.*
Aus den Gründen:
Zu Unrecht ist das OLG auch davon ausgegangen, die Bekl. brauche sich die arglistige Täuschung durch die K GmbH nicht zurechnen zu lassen, diese sei vielmehr Dritte i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB.
Übernimmt ein Vermittler, gleichgültig ob selbstständig oder nicht, mit Wissen und Wollen einer der späteren Vertragsparteien Aufgaben, die typischerweise ihr obliegen, so wird er in ihrem Pflichtenkreis tätig und ist zugleich als ihre Hilfsperson zu betrachten (Senatsurt. v. 24.9.96 - XI ZR 318/95, WM 96, 2105, 2106 m.w.N.). Wann eine solche Einschätzung gerechtfertigt ist, lässt sich nach der Rspr. des BGH nur auf Grund einer die Interessen beider Parteien wertenden Betrachtung der Einzelfallumstände entscheiden (BGH Urt. v. 24.11.95 - V ZR 40/94, WM 96, 315, 316). Sie ist hier zu bejahen.
(Kein) Auge-und-Ohr beim Versicherungsmakler
BGH, Urt. v. 22.9.1999 (IV ZR 15/99), VersR 1999, 1481
- Die Grundsätze zur Wissenszurechnung nach der Auge-und-Ohr-Rechtsprechung des BGH sind grundsätzlich auf Versicherungsmakler nicht anzuwenden. In Ausnahmefällen kann auch das Wissen eines Maklers dem Versicherer zuzurechnen sein. Eine solche Ausnahme käme jedenfalls nur in Betracht, wenn Tatsachen vorlägen, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit eine Wissenszurechnung rechtfertigen können.
- Zur Verfügung gestellte Antragsformulare allein sind kein ausreichender indizieller Umstand für die Annahme, der Makler habe wie ein Agent des Versicherers dessen Interessen vertreten; er habe "im Lager" der Bekl. gestanden. Auch ein vom Versicherungsinteressenten beauftragter Makler hat häufig, wenn nicht in der Regel, Antragsformulare zur Verfügung, wobei es nicht darauf ankommt, ob er diese angefordert oder unaufgefordert zugesandt bekommen hat. Die Verwendung eines Antragsformulars eines Versicherers gehört zur Tätigkeit eines jeden Agenten wie auch eines Maklers. Sie dient der organisatorischen Abwicklung beim Zustandekommen des Versicherungsvertrags in jedem Fall, ohne daß daraus geschlossen werden könnte, der Vermittler des Vertrags stehe auf der einen oder anderen Seite. Voraussetzung einer Zurechnung von Wissen, das der Vermittler bei dem Zustandekommen des Vertrags vom Versicherungsinteressenten erhält, ist, daß er vom Versicherer zur Entgegennahme von Erklärungen bevollmächtigt, zumindest vom Versicherer damit betraut ist i. S. d. § 43 S. 1 VVG (vgl. BGHZ 102, 194 [197 f.] = VersR 1988, 234 [237]).
- Ebensowenig lässt ein Vermerk auf dem Versicherungsschein "Sie werden betreut von: B. Assekuranz ..." allein oder in Verbindung mit der Verfügung über die Antragsformulare den Schluß zu, der Versicherer habe den Makler mit der Entgegennahme von Antragserklärungen betraut. Ein solcher Vermerk ist auch dann im Interesse des VN wie auch des Vermittlers zweckmäßig, wenn dieser keine agentenähnliche Stellung innehat, sondern Makler ist. Die von einem Makler einmal hergestellte Geschäftsverbindung soll durch einen solchen Vermerk als weiter bestehend gekennzeichnet werden. Der VN soll wissen, an wen er sich bei Fragen zu diesem Vertrag oder bei anderen, Versicherungen allgemein betreffenden Fragen wenden kann.
Rücktrittsvoraussetzungen bei nicht angezeigter Krankheit
BGH, Entscheidung vom 11.11.1992 (IV ZR 271/91, München), VersR 1993, 871
Hat der VN in dem Antragsformular eine erhebliche Vorerkrankung nicht angegeben und führt diese Erkrankung zum Eintritt des Versicherungsfalls, so kann der Rücktritt des Versicherers unbegründet sein, wenn die Erkrankung in dem Vermittlungsgespräch zwischen dem Agenten und dem Antragsteller (späteren VN) zur Sprache gekommen ist, wenn dem Versicherer das Wissen seines Agenten zuzurechnen ist und wenn die Klarstellung vor Vertragsschluß unterblieben ist (Anwendung der Grundsätze aus BGHZ 102, 194 = VersR 1988, 234; 116, 387 = VersR 1992, 217; BGH VersR 1992, 603).
Aus den Gründen:
Wird der Antragsteller auf Veranlassung des Versicherers in die Rolle des nur mündlich auf Formularfragen Antwortenden gedrängt, muß es zu Lasten des durch seinen Agenten vertretenen Versicherers gehen, wenn sein Empfangsbevollmächtigter nicht für die nach Sachlage gebotene Rückfrage sorgt, sei es, daß er selbst sofort auf einer Präzisierung der bisherigen Antworten besteht, sei es, daß er den von ihm vertretenen Versicherer veranlaßt, bei dem im Formular vermerkten Arzt rückzufragen. Daß es dem Antragsteller aus der Hand genommen wird, das Formular selbst auszufüllen, darf nicht zu einer Verschlechterung seiner Rechtslage führen.
Bestätigungsklausel
BGH, Entscheidung vom 18.12.91 (IV ZR 299/90), VersR 1992, 217
Die Klausel in Antragsformularen eines Versicherers: "Für die Richtigkeit der Angaben bin ich allein verantwortlich, auch wenn ich den Antrag nicht selbst ausgefüllt habe. Der Vermittler darf über die Erheblichkeit von Antragsfragen oder Erkrankungen keine verbindlichen Erklärungen abgeben" ist unwirksam.
Arzt als Versicherer-Vertreter
BGH, Urt. v. 21.11.1989 (IV a ZR 269/88, Karlsruhe), r+s 1990, 101 = VersR 1990, 77 = NJW 1990, 767 = MDR 1990, 523
- Kommt es auf Betreiben des Versicherers im Zuge der Verhandlungen über den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Erstellung eines sogenannten ärztlichen Zeugnisses auf einem dafür erstellten Formularbogen des Versicherers und füllt der Arzt dabei auch die vom VN zu beantwortenden Formularfragen aus, so steht es zur Beweislast des Versicherers, daß der Arzt von dem VN nur in dem aus dem ausgefüllten Formular ersichtlichen Umfang informiert worden ist, sofern der VN substantiiert geltend macht, daß er den Arzt mündlich zutreffend informiert habe (Ergänzung zu den Senatsurteilen VersR 1980, 762 und 1989, 833).
- Eine zutreffende und erschöpfende (mündliche) Beantwortung solcher Fragen, die ein für den Versicherer tätig werdender Arzt dem VN anhand des Fragenkatalogs des Versicherers vorlegt, um anschließend die schriftliche Fixierung der Antworten vorzunehmen, stellt die Erfüllung der Anzeigeobliegenheit i. S. der §§ 16, 17 VVG stellt; das ist auch dann der Fall, wenn der Arzt nicht ständig für den Versicherer tätig wird und es nicht für erforderlich hält, die erteilten Antworten (vollständig) schriftlich festzuhalten. Da einem VN, der sich wie geschildert verhalten hat, nicht einmal eine objektive Verletzung seiner Anzeigeobliegenheit angelastet werden kann, stellt sich die Frage seines Verschuldens nicht mehr.
Auge und Ohr
BGH, Urt. v. 23.5.1989 - IV a ZR 72/88, VersR 1989, 833 = BGHZ 107, 322 = NJW 1989, 2060
Das, was einem Agenten des Versicherers im Rahmen der Antragsaufnahme mit Bezug auf diesen Antrag zur Kenntnis gebracht wird, ist auch dann dem Versicherer zur Kenntnis gebracht, wenn es keine Aufnahme in das Antragsformular findet. Das VVG stellt den Versicherer nicht von den Rechtswirkungen einer passiven rechtsgeschäftlichen Stellvertretung durch einen Vermittlungsagenten oder sonstigen Stellvertreter frei.
Auge und Ohr
BGH, Urt. v. 11.11.1987 - IV a ZR 240/86, r+s 1988, 118 = VersR 1988, 234 = BGHZ 102, 194
Wissen des zur passiven Stellvertretung (nämlich zur Entgegennahme von Erklärungen) ermächtigten Versicherungsagenten, das er in Ausübung der Stellvertretung erlangt, schließt es aus, daß der rechtsgeschäftlich vertretene Versicherer unter Berufung auf seine Unkenntnis bezüglich solcher Umstände, von denen sein Stellvertreter auf die genannte Weise Kenntnis erlangt hat, Rechtsfolgen für seine anschließend erklärte Vertragsannahme geltend machen könnte.
Arzt als Versicherer-Vertreter
BGH, Urt. v. 29.05.1980 (IVa ZR 6/80, Köln), r+s 1980, 200 = VersR 1980, 762 = MDR 1981, 33
Die einem VN vom Arzt in Erfüllung eines Auftrages vom Versicherer gestellten Fragen stehen Fragen des Versicherers (§ 16 Abs. 1 5.3 VVG), die vom VN erteilten Antworten den Erklärungen gegenüber dem Versicherer gem. § 16 Abs. 1 S. 1 VVG gleich.