BERUFSUNFÄHIGKEITSVERSICHERUNG

für die Leistungs- und Antragsprüfung


Fälligkeit (§ 14 VVG)

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Notwendigen Erhebungen im Sinne des § 14 Abs. 1 VVG, vvA darf im Leistungsfall geprüft werden, auch kein Verdacht erforderlich

BGH, Urt. v. 22.2.2017 - IV ZR 289/14, zfs 2017, 212 = VersR 2017, 469

VVG § 14 Abs. 1, VVG § 19 Abs. 1 S. 1, VVG § 31 Abs. 1 S. 1, VVG § 213 Abs. 1

1. Die Klausel
„Die versicherte Person hat Ärzte, Krankenhäuser und sonstige Krankenanstalten sowie Pflegeheime, bei denen sie in Behandlung oder Pflege war oder sein wird, sowie Sachverständige, Pflegepersonen, andere Personenversicherer und Behörden sowie wegen des Berufs auch den Arbeitgeber zu ermächtigen, uns auf Verlangen Auskunft zu erteilen. […]“
ist wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 BGB unwirksam, weil das Recht des Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG missachtet und zugleich dem Grundgedanken des § 213 VVG widersprochen wird. Bestimmungen in allgemeinen Versicherungsbedingungen, die einen informationellen Selbstschutz vereiteln oder unzumutbar werden lassen, sind als unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen.

2. Zu den zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen im Sinne des § 14 Abs. 1 VVG zählen auch solche, die klären sollen, ob der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss seine vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG erfüllt hat.

3. a) Zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers sind auch solche Auskünfte erforderlich im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 VVG, die der Prüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen dienen. Die den Versicherungsnehmer insoweit treffende Mitwirkungsobliegenheit ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen bereits eine konkrete Verdachtslage für eine Anzeigeobliegenheitsverletzung besteht.
b) Dem Versicherer kommt im Rahmen des § 31 VVG grundsätzlich ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob sich die geforderten Angaben nach dem Ergebnis der Prüfung tatsächlich als wesentlich erweisen, da die Frage der Erforderlichkeit ex ante zu beurteilen ist.

4. § 213 Abs. 1 VVG steht einer Datenerhebung des Versicherers zum Zwecke der Überprüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers nicht entgegen.

5. Verweigert der Versicherte – was von § 213 VVG vorgesehen ist - eine Einwilligung oder widerspricht er trotz erteilter Einwilligung der Datenerhebung, stellt dies keinen Verstoß gegen vertragliche Mitwirkungsobliegenheiten dar, weil die Wahrnehmung verfassungsrechtlich gebotener Rechte grundsätzlich nicht als Obliegenheitsverletzung gewertet werden kann.

6.a) Dem Interesse des Versicherungsnehmers an informationeller Selbstbestimmung steht das ebenfalls erhebliche Offenbarungsinteresse des Versicherers gegenüber, das in der Vertragsfreiheit wurzelt und damit durch Art. 12 GG ebenfalls grundrechtlichen Schutz genießt. Die Abwägung dieser Interessen ergibt, dass der Versicherungsnehmer bei der Erhebung von Daten durch den Versicherer grundsätzlich nur insoweit mitzuwirken hat, als diese zur Prüfung des Leistungsfalles relevant sind.
b) Kann der Umfang der Datenerhebung nicht von vornherein auf entsprechende Informationen beschränkt werden, weil dem Versicherer noch unbekannt ist, worauf er sein Augenmerk zu richten hat, so erstreckt sich die Obliegenheit des Versicherungsnehmers zunächst auf die Einholung solcher weniger weitreichender und persönlichkeitsrelevanter Vorinformationen, die dem Versicherer eine Konkretisierung ermöglichen, welche Informationen im Weiteren tatsächlich für die Leistungsprüfung relevant sind.
c) Dies kann im Fall eines geringen Kenntnisstandes des Versicherers eine gestufte, einem Dialog vergleichbare Datenerhebung erforderlich werden lassen, in deren Rahmen zunächst Vorinformationen allgemeiner Art erhoben werden, auf deren Grundlage der Versicherer sodann einzelne, spezifischere Anfragen zu stellen vermag, deren Beantwortung unter Umständen wiederum zur Grundlage noch weiter ins Detail gehender Erkundigungen werden kann (schrittweises Vorgehen).
d) Auf einer ersten Stufe der Erhebungen kann das die Frage betreffen, wann in dem für die Anzeigeobliegenheit maßgeblichen Zeitraum ärztliche Behandlungen oder Untersuchungen stattgefunden haben, was bspw. durch eine Auskunft des Krankenversicherers beantwortet werden könnte, den der Versicherungsnehmer zunächst nur insoweit von seiner Schweigepflicht entbinden müsste. Besonders sensible Gesundheitsdaten (etwa Diagnosen, Behandlungsweisen oder Verordnungen betreffend) blieben von der Auskunftsobliegenheit des Versicherungsnehmers so lange nicht umfasst, bis der Versicherer aufgrund seiner Prüfung der Vorinformationen sein Auskunftsverlangen weiter konkretisiert. Erst dann wäre der Versicherungsnehmer gehalten, dieser Konkretisierung entsprechende Schweigepflichtentbindungen zu erteilen.
e) Dem Versicherungsnehmer bleibt es ihm unbenommen, zur Beschleunigung der Leistungsprüfung sogleich umfassende Auskünfte zu erteilen und auch eine unbeschränkte Schweigepflichtentbindung zu erklären. Denn als Träger des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung steht es ihm frei, Daten anderen gegenüber zu offenbaren.
f) Hierüber und über die andernfalls nach den vorgenannten Maßstäben schrittweise zu erfüllende Obliegenheit, Schweigepflichtentbindungen zu erteilen, hat der Versicherer den Versicherungsnehmer eingangs seiner Erhebungen zu informieren.
g) Bringt der Versicherte durch sein Verhalten unzweifelhaft zum Ausdruck, dass er eine Datenerhebung zur Aufklärung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen grundsätzlich zurückweist und nicht mitwirkt, ist es ausnahmsweise unerheblich, wenn der Versicherer nicht auf die Möglichkeit der schrittweisen Schweigepflichtentbindung oder einer eigenen Datenbeibringung hingewiesen hat.

7. Eine Pflicht des Versicherers, die Richtigkeit sämtlicher bei der Vertragsanbahnung erteilten Auskünfte des Versicherungsnehmers - so sie nicht ersichtlich unklar oder unvollständig sind - bereits vor Vertragsschluss zu überprüfen, besteht nicht..

8. Wird eine Klage wegen fehlender Fälligkeit abgewiesen, hat dies als „derzeit unbegründet“ zu erfolgen.