Vereinbarungen mit dem VN
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Treuwidrige Vereinbarung, Fortzahlung einer Berufsunfähigkeitsrente nach Ablauf einer vereinbarten Leistung
BGH, Beschl. v. 15.2.2017 - IV ZR 280/15, r+s 2017, 368 = NJW-RR 2017, 739 = VersR 2017, 868 = zfs 2017, 522
1. Eine auf Initiative des Berufsunfähigkeitsversicherers zustande gekommene Vereinbarung, wonach dieser ohne Anerkennung einer Rechtspflicht Leistungen für einen begrenzten Zeitraum erbringt und nach Ablauf des Zeitraums eine Leistungsprüfung nach den Grundsätzen der Erstprüfung (anstatt einer Nachprüfung) erfolgen soll, stellt ein starkes Indiz für einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar, da die vertragliche Rechtslage durch die Vereinbarung zum Nachteil des Versicherungsnehmers geändert und seine Rechtsposition dadurch ins Gewicht fallend verschlechtert wird.
2. Objektiv treuwidrig handelt der Versicherer, der bei naheliegender Berufsunfähigkeit die ernsthafte Prüfung seiner Leistungspflicht durch das Angebot einer befristeten Kulanzleistung hinausschiebt und so das nach Sachlage gebotene Anerkenntnis unterläuft.
3. Treuwidrigkeit liegt vor, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung viel für eine bereits gegebene Leistungspflicht des Versicherers sprach, weil die Bedingungen Leistungen auch schon dann vorsehen, wenn die versicherte Person nur belegen muss, - auch nur voraussichtlich - sechs Monate ununterbrochen außerstande zu sein, den in gesunden Tagen zuletzt ausgeübten Beruf in bedingungsgemäßem Maße auszuüben. Der Nachweis des so geregelten Versicherungsfalles liegt nahe, wenn
- zwar eine Rehabilitationsmaßnahme bei der VN bevorstand,
- die VN jedoch bereits seit mehr als sechs Monaten arbeitsunfähig krankgeschrieben war,
- ein für die Bundesagentur für Arbeit erstelltes medizinisches Gutachten den zeitlichen Umfang der Leistungsfähigkeit auf unter drei Stunden täglich bezifferte und eine verminderte Leistungsfähigkeit für einen Zeitraum von voraussichtlich länger als sechs Monaten prognostizierte,
- es dem Versicherer unbenommen war, die VN selbst durch einen Sachverständigen untersuchen zu lassen.
4. Eine Treuwidrigkeit entfällt nicht deshalb, weil der Versicherer anstelle der Vereinbarung nach § 173 Abs. 2 Satz 1 VVG oder den Bedingungen ein befristetes Anerkenntnis hätte abgeben können, denn diese Vorgehensweise ist mit einer Vereinbarung hinsichtlich der Erkennbarkeit von Rechtsnachteilen nicht vergleichbar.
5. Solche Vereinbarungen erfordern vor ihrem Abschluss klare, unmissverständliche und konkrete Hinweise des Versicherers darauf, wie sich die vertragliche Rechtsposition des Versicherungsnehmers darstellt und in welcher Weise diese durch den Abschluss der Vereinbarung verändert oder eingeschränkt wird. Dem genügt der Versicherer nicht, wenn er in seinem Angebotsschreiben weder die nach den Bedingungen zu erfüllenden Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalles im Einzelnen erläutert noch die mögliche Einschränkung der vertraglichen Rechtsposition durch den Abschluss der Vereinbarung - zum Beispiel die Verschiebung des Zeitpunkts der Erstprüfung mit ihren beweisrechtlichen Konsequenzen sowie den damit möglicherweise eintretenden Verlust des dreimonatigen Nachleistungsanspruchs - darstellt.
6. Auf die Frage, ob der Versicherungsnehmer den Abschluss der Vereinbarung bei vollständigen Hinweisen abgelehnt hätte, kommt es nicht an, weil es sich nicht um eine Belehrung handelt, für die ein Kausaliätserfordernis besteht.
Vereinbarung mit dem VN
BGH, Urt. v. 30.3.2011 - IV ZR 269/08, r+s 2011, 259 = NJW 2011, 1736 = VersR 2011, 655 = MDR 2011, 660
Der Versicherer darf wegen der speziellen Ausgestaltung der BUZ-Versicherung seine überlegene Sach- und Rechtskenntnis nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zum Nachteil des Versicherten ausnutzen.
Stellt der Versicherer die Sach- oder Rechtslage gegenüber dem Versicherten unrichtig dar, etwa indem eine zeitlich ohnehin begrenzte Leistungspflicht behauptet wird und vorgeschlagen wird, eine Vereinbarung über längere, zeitlich befristete Kulanzleistungen zu treffen, ist der Abschluss der Vereinbarung für den Versicherer rechtsmißbräuchlich mit der Folge, dass die Leistungspflicht fortbesteht.
VR entzieht sich einer Entscheidung durch Vereinbarung mit dem VN, Hinweispflicht des VR
BGH, Urt. v. 28.2.2007 – IV ZR 46/06, VersR 2007, 777 = MDR 2007, 833
Ein Berufsunfähigkeitsversicherer handelt objektiv treuwidrig, wenn er sich einer in den Bedingungen zugesagten Entscheidung über das Vorliegen der vom Versicherungsnehmer behaupteten Berufsunfähigkeit im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung durch den Abschluss einer außervertraglichen Vereinbarung entzieht, die ihn - neben der Gewährung einer befristeten Kulanzleistung - zur Prüfung der Gesundheitsverhältnisse erst auf einen neuen Antrag und auf der Grundlage der dann gegebenen Sachlage verpflichtet.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Versicherer nicht klar und unmissverständlich darauf hinweist, wie sich die vertragliche Rechtsposition des Versicherungsnehmers darstellt und in welcher Weise diese durch den Abschluss der Vereinbarung verändert oder eingeschränkt wird.
Zusatzvereinbarung zu Berufsunfähigkeitsversicherung erfordert umfangreiche Aufklärung, Hinweispflicht des VR
BGH, Urt. v. 7.2.2007 - IV ZR 244/03, r+s 2007, 205 mit Anm. Neuhaus = VersR 2007, 633 = MDR 2007, 834 („Krabbenfischer-Entscheidung“)
Ls. der r+s:
1. *Auf eine Vereinbarung über die Leistungspflicht nach (behauptetem) Eintritt des VersFalls, die die vertragliche Rechtsposition des VN einschränkt, kann sich der Versicherer nach Treu und Glauben nicht berufen, wenn er den VN nicht deutlich darauf hingewiesen hat, wie sich eine Rechtsposition darstellt und in welcher Weise ein Abschluss der Vereinbarung sie einschränkt.*
2. Nutzt ein Versicherer seine überlegene Verhandlungsposition aus, um die nach dem Vertrag bestehenden Rechte des VN auf Leistungen aus der BUZ-Vers. nach Eintritt des VersFalls durch eine Vereinbarung mit dem VN einzuschränken, so kann sich der Versicherer nach Treu und Glauben auf eine solche Vereinbarung nicht berufen. Ein starkes Indiz für einen Verstoß gegen Treu und Glauben ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Vereinbarung zu einer ins Gewicht fallenden Verschlechterung der Rechtsposition des VN führt.
Das ist z.B. der Fall, wenn der Versicherer sich bei klarer Rechtslage zugunsten des VN gegen das Versprechen einer befristeten Kulanzleistung eine nach dem BUZ-Vertrag nicht vorgesehene Verweisungsmöglichkeit schafft, die ihm nach Fristablauf die Ablehnung durch Verweis auf eine neu erworbene berufliche Fähigkeit ermöglicht. Das gleiche gilt, wenn der Versicherer bei nahe liegender Berufsunfähigkeit die Prüfung seiner Leistungspflicht durch das Angebot einer befristeten Kulanzleistung hinausschiebt und so mit einer solchen Vereinbarung das nach der Sachlage gebotene Anerkenntnis unterläuft.
Ls. der VersR:
Versicherungen müssen bei nachträglichen Vereinbarungen ihre Kunden über mögliche Risiken und Probleme ausreichend belehren. Verschlechtert eine Berufsunfähigkeitsversicherung unter Ausnutzung ihrer überlegenen Sach- und Rechtskenntnisse die Rechtslage des Klägers «in schwerwiegender Weise», stellt dieses Verhalten einen Rechtsmissbrauch dar. (Leitsatz der Redaktion)
Auch nach Eintritt des Versicherungsfalls kann die Leistungspflicht in den Grenzen des allgemeinen Zivilrechts geregelt werden
BGH, Urt. v. 12.11.2003 IV ZR 173/02, = r+s 2004, 118 = VersR 2004, 96
1. Zur Zulässigkeit von Vereinbarungen über die Leistungspflicht nach (behauptetem) Eintritt des Versicherungsfalls. *
Weitere Leitsätze der r+s:
2. Die Parteien einer BUZ-Versicherung können nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit im Rahmen der Schranken des allgemeinen Zivilrechts die Leistungspflicht des Versicherers einvernehmlich regeln. Der Versicherer darf allerdings wegen der speziellen Ausgestaltung der BUZ-Versicherung seine überlegene Sach- und Rechtskenntnis nach Treu und Glauben nicht zum Nachteil des VersNehmers ausnutzen. Ob eine solche treuwidrige Ausnutzung vorliegt, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.
3. Eine Vereinbarung mit Anerkennung der Leistungspflicht durch den Versicherer sowie dem Vorbehalt, nach Ablauf eines Jahres allein die Frage der Verweisbarkeit auf der Grundlage der Entwicklung der gesundheitlichen und beruflichen Verhältnisse zu prüfen, ist zulässig bei einem Vertrag, der bedingungsgemäß ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis unter einstweiliger Zurückstellung der Verweisbarkeit vorsieht. Ob dies auch bei einem Vertrag ohne eine solche bedingungsgemäß befristete Verweisungsmöglichkeit gilt, bleibt offen.