Praxishilfen: Checklisten, Musterformulierungen
Bitte beachten: Es handelt sich um Empfehlungen, die weder eine individuelle Prüfung bzw. Beratung ersetzen können und wollen.
Checklisten für Leistungsprüfer:innen zur Gutachterbeauftragung
Vor der Beauftragung des Gutachters sollten folgende Aspekte beachtet werden:
Genaue Durchsicht der vertraglichen Vereinbarungen (Versicherungsschein, Bedingungen) und Skizzierung der wesentlichen Aspekte, d.h. der Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalls BU.
Information des VN über alle Varianten der Einholung von Gesundheitsdaten (generel-le/individuelle Entbindung von der Schweigepflicht, „gestufter Dialog“, eigene Beibringung).
Auswertung des vom VN ausgefüllten Fragebogens: Beruf(e), Teiltätigkeiten, prägende Tätigkeiten, Auswirkung der Beschwerden auf die Teiltätigkeiten. Gegebenenfalls erneute Nachfrage.
Auswahl eines qualifizierten, erfahrenen Gutachters. Es empfiehlt sich, eine hausinterne Datenbank aufzubauen und zu pflegen.
Abklärung mit dem Gutachter, ob und wann das Gutachten erstellt werden kann.
Genaue Anweisung an den Gutachter, idealerweise mit einem vorbereiteten Fragebogen.
Mindestprüfung, wenn ein Gutachten vorliegt:
Wurden die Fragen richtig erfasst und vollständig beantwortet?
Hat der Gutachter die vorgegebenen Tatsachen vollumfänglich zugrunde gelegt?
Ist der vorgegebene Sachvortrag vollständig erfasst worden? Hier geht es nicht darum, dass der Gutachter den gesamten Streitstoff wiedergibt, sondern dass er wesentliche Tatsachen nicht unberücksichtigt lässt.
Geht der Gutachter von den richtigen Anknüpfungstatsachen aus? Der Gutachter hat offenzulegen, welche Anknüpfungstatsachen von ihm zugrunde gelegt werden und wie sie ermittelt worden sind.
Ist das Ergebnis verständlich und nachvollziehbar aus den Anknüpfungstatsachen abgeleitet worden?
Wurden anderweitige ärztliche Stellungnahmen (vorprozessuale Gutachten, Arztberichte etc.) und deren Feststellungen bzw. Argumentation ausreichend berücksichtigt und bewertet?
Hat der Gutachter den zugrunde zu legenden Stand in der Medizin, der für die konkreten zu beurteilenden Fragen maßgeblich ist, dargelegt und seine Argumentation damit untermauert?
Wurden die konkreten Leistungseinschränkungen bzw. noch bestehenden Fähigkeiten ermittelt und nicht nur einfach ein BU-Grad „über den Daumen gepeilt“ (essenziell auch für eine etwaige spätere Nachprüfung!)
Auch ein Gutachten ohne (klares) Ergebnis ist ein Ergebnis der Begutachtung, denn wenn der Gutachter bspw. eine BU nicht klar belegen kann, so bleibt der Versicherungsnehmer in der Erstprüfung beweisfällig. Oder anders formuliert: keinesfalls darf der Gutachter spekulieren, um ein vermeintlich „sauberes“ Ergebnis am Ende des Gutachtens zu liefern.
Checklisten Nachprüfung
Folgt man der teilweise in der Rechtsprechung vertretenen formal strengen Auffassung zur Begründung einer Einstellungsmitteilung (die ich nicht teile, vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl., Kap. 14 Rn. 124 ff.), bedingt dies für den Versicherer im Hinblick auf eine Verbesserung des Gesundheitszustandes die Fertigung einer tabellarischen, idealerweise z.T. synoptischen Aufstellung …
aller früheren Tätigkeiten (Gesamtbild),
welche Tätigkeiten zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses bzw. bezogen auf den damaligen Eintritt der Berufsunfähigkeit nicht mehr möglich waren,
welche gesundheitlichen Verbesserungen vorliegen,
welche Tätigkeiten aktuell wieder ausgeübt werden können,
welche Tätigkeiten aktuell nicht ausgeübt werden können,
welchen Teil-Grad der Berufsunfähigkeit dies jeweils betrifft,
zu welchem Grad dies insgesamt führt;
mit der Schlussbewertung, dass die aktuell ausübbaren Tätigkeiten die nach wie vor nicht ausübbaren im bedingungsgemäßen Umfang überwiegen.
Nach meiner Meinung (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl., Kap. 14 Rn. 129 ff.) reicht folgende Darstellung in der Einstellungsmitteilung aus:
Benennung der früheren Tätigkeiten, deren Beeinträchtigung für die Entscheidung, dass bedingsgemäße Berufsunfähigkeit vorlag, entscheidend waren (in der Regel werden dies die prägenden Tätigkeiten sein),
welche gesundheitlichen Verbesserungen vorliegen, (Vergleich der für die Beurteilung des Grades der Berufsunfähigkeit wesentlichen verschiedene Zustände untereinander),
welche Tätigkeiten, die für die Bemessung des Grades der Berufsunfähigkeit maßgeblich waren, aktuell wieder ausgeübt werden können,
zu welchem neuen Grad dies insgesamt führt.
Nach beiden Auffassungen reicht folgendes nicht aus:
Bloße Mitteilung des Gesundheitszustandes zum Zeitpunkt der Nachprüfung.
Mitteilung ärztlicher Diagnosen, wenn sich daraus nicht ergibt, welche Veränderungen des Gesundheitszustandes im Einzelnen beim Versicherungsnehmer eingetreten sind und zu einer bedingungsgemäß erheblichen Verbesserung geführt haben sollen.
Bloße Gegenüberstellung des im Zeitpunkt des Anerkenntnisses angenommenen Grades der Berufsunfähigkeit mit der Gradzahl, die ein Gutachter zu einem späteren Zeit-punkt ermittelt hat.
Die Bezugnahme auf Gutachten ist dann nicht ausreichend, wenn nicht präzisiert wird, um welche konkreten dortigen Feststellungen es geht.
Nachprüfung: Formulierungsvorschlag für eine Einstellungsmitteilung (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl., Kap. 28 Rn. 14)
Ich empfehle für die in der Einstellungsmitteilung erforderliche Vergleichsbetrachtung zu einer Gesundheitsverbesserung folgenden Aufbau, wobei Sie bitte beachten, dass es sich dabei immer nur um Grundstrukturen handeln kann, die auf den individuellen Fall abgestimmt wer-den müssen:
1. Berufliche Tätigkeiten und Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses
… Nach Anmeldung der Berufsunfähigkeit erhielten wir von Ihnen folgende Informationen über Ihre beruflichen Teiltätigkeiten:
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Ihre Gesundheitsbeschwerden gaben Sie wie folgt an:
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Ihre Auswirkungen der Beschwerden auf die beruflichen Tätigkeiten schilderten Sie wie folgt:
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Aus einem von uns eingeholten Sachverständigengutachten (Herr Dr. …. vom ….) ergaben sich folgende Gesundheitsbeschwerden bzw. Einschränkungen:
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2. Nachprüfungsverfahren
Aus einem von uns eingeholten Sachverständigengutachten (Herr Dr. …. vom ….) ergaben sich folgende Verbesserungen der Gesundheitsbeschwerden bzw. Einschränkungen:
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Daher sind folgende Teiltätigkeiten inzwischen wieder ohne Einschränkungen möglich:
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Folgende Teiltätigkeiten sind inzwischen wieder mit geringeren Einschränkungen möglich:
__________________ Aktueller Grad der Einschränkung: __________________
__________________ Aktueller Grad der Einschränkung: __________________
__________________ Aktueller Grad der Einschränkung: __________________
Insgesamt gelangen wir daher durch die medizinischen Feststellungen zu der Einschätzung, dass sich Ihr Leistungsvermögen deutlich verbessert hat und der Grad der Berufsunfähigkeit inzwischen weniger als 50 % beträgt. Daher werden wir die Leistungen mit Wirkung zum ... einstellen. Das Gutachten fügen wir bei …
Vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung
Muster-Anschreiben/ -Fragebogen für den Vermittler (Versicherungsvertreter), sofern VN behauptet, den Vermittler bei der Antragsstellung über Vorerkrankungen etc. unterrichtet zu haben:
Sehr geehrte (r)....,
unser Versicherungsnehmer Herr ... macht Leistungsansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung ... geltend, die von Ihnen vermittelt wurde.
Wir haben den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, weil gravierende Vorerkrankungen verschwiegen wurden.
Der VN behauptet, Sie hätten im Antragsgespräch [bitte prüfen, was einschlägig ist]
- die Fragen aus dem Antragsformular nicht vorgelesen
- mündlich abgewandelt/verharmlost
- von ihm angegebene Umstände nicht notiert
- ...
Das Schreiben des Rechtsanwalts des VN vom ... fügen wir als Kopie bei.
Damit wir den Sachverhalt weiter aufklären können, bitten wir Sie höflich, uns kurzfristig folgende Fragen zu beantworten:
- Können Sie sich noch konkret an das Antragsgespräch erinnern?
- Wenn nein: Erfolgt die Antragsaufnahme nebst Gesundheitsfragen bei Ihnen immer nach dem gleichen Schema? Bitte beschreiben Sie dies.
- Wenn Sie sich noch konkret erinnern können: Waren neben Ihnen und dem VN noch andere Personen bei der Antragsaufnahme anwesend?
- Wie kam der Termin zustande? Von wem ging die Terminvereinbarung aus? Bitte vermerken Sie, sofern Sie es noch wissen, ob der VN Sie auf einen Berufsunfähigkeits-Schutz angesprochen hat oder ob Sie den VN darauf angesprochen haben.
- Wo fand das Gespräch statt?
- Haben Sie dem VN die Gesundheitsfragen einzeln vorgelesen?
- Wer hat die Antworten im Antrag vermerkt?
- Falls Sie die Angaben vermerkt haben: Wurden alle Angaben von Ihnen im Antragsformular richtig und vollständig vermerkt?
- Hat sich der VN das Antragsformular vor seiner Unterschrift durchgelesen? Wurden vielleicht sogar die Fragen/Angaben gemeinsam durchgegangen?
- Kamen Ihnen die Gesundheitsangaben des VN plausibel vor?
- In welcher Form und wann wurde dem VN eine Kopie des Antragsformulars überlassen?
- Beschreiben Sie bitte Ihr persönliches Verhältnis zum VN.
- Sofern Sie den VN bereits länger kennen: Waren Ihnen irgendwelche Vorerkrankungen oder Gesundheitsstörungen des VN bei Antragstellung bekannt?
- Bitte geben Sie an, ob nach Ihrer Erinnerung folgende Behauptung des VN den Tatsachen entspricht: ...
Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Checkliste Prüfung einer Anzeigepflichtverletzung nach VVG
Hinweis: dies ist nur ein grober Überblick, der nicht alle rechtlich relevanten Punkte erfassen kann.
„Eigene“ Frage des Versicherers, § 19 Abs. 1 VVG.
Abfrage der Gefahrumstände in Textform, § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG.
Zeitpunkt der Angaben: Anzeige von Gefahrumständen bis zur Vertragserklärung des VNs, danach bis zum Vertragsschluss nur noch nach ausdrücklicher Nachfrage des Versicherers, § 19 Abs. 1 VVG.
Gefahrerheblichkeit des verschwiegenen Umstandes.
Nachfrageobliegenheit nicht verletzt.
Rücktrittsrecht bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, § 19 Abs. 3 Satz 1 VVG. Beweis-last für das Fehlen liegt beim VN.
Kein Rücktrittsrecht bei einfacher Fahrlässigkeit, dafür aber Kündigungsrecht, § 19 Abs. 3 Satz 2 VVG.
Bei grober Fahrlässigkeit: Ausschluss von Rücktritt und Kündigung bei Vertragsanpassung (Annahmefiktion), § 19 Abs. 4 VVG:
- Welche Annahmegrundsätze bestehen beim Versicherer?
- Liegen vertragshemmende Umstände (dann keine Vertragsanpassung) oder vertragsmodifizierende Umstände vor?
Weder Rücktritt noch Kündigung bei Kenntnis des Versicherers, § 19 Abs. 5 Satz 2 VVG.
- Kenntnis z.B. aus …
- „Auge und Ohr“?
- Nachfrageobliegenheit?
- früheren Versicherungsfällen?
Kausalitätsgegenbeweis?
Wirksame Rechtsfolgenbelehrung, § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG
- Standort?
- Inhalt (alle Rechtsfolgen abgedeckt)?
- Auffällig?
- Vom Versicherer selbst und nicht vom Makler?
Arglistanfechtung ist wie bisher daneben möglich, §§ 22 VVG, 123 BGB.
- Vorteile u.a.: nach h.M. keine wirksame Belehrung erforderlich, längere Frist, keine Nachfrageobliegenheit
- Nachteil: volle Beweislast für den Versicherer.
Fristen, § 21 VVG
- Monatsfrist für Rechte aus § 19 VVG
- 5- bzw. 10-Jahresfrist
- Verkürzte Fristen durch AVB?
- Jahresfrist für Anfechtung
Kein Verzicht auf die Gestaltungsrechte
Kein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB)
Ausübung ebenfalls in Betracht kommender Gestaltungsrechte im Anschreiben an den VN?